Elisabeth Matter* war 84-jährig, als sie an Brustkrebs erkrankte. Nach der Operation empfahl ihr die Onkologin eine Chemotherapie. «Sie war die älteste Patientin, die wir mit einer Chemotherapie behandelt haben» sagt Dr. med. Cathrin Balmelli, Onkologin im Brustzentrum Basel Bethesda Spital. Die Seniorin durchlief diese Therapie mit Kopfhautkühlung sehr gut, hat ihre Haare nicht verloren und sagt, dass sie es wieder machen würde. «Sie ist eine Patientin, welche einen eindeutigen Nutzen aus dieser Therapie ziehen konnte.» Dass alles so gut verlief, hängt mit dem guten Allgemeinzustand von Frau Matter zusammen.
Sie lebt selbständig, ist mobil und aktiv. Zudem verfügt sie über ein gutes soziales Netzwerk und hat keine limitierenden Begleiterkrankungen. «Aufgrund dieser Voraussetzungen hatte sie zum Zeitpunkt der Chemotherapie eine Lebenserwartung von gut zehn Jahren», rechnet die Onkologin vor. Bevor sie einer betagten Person eine Chemotherapie verschreibt, wägt sie sorgfältig ab: Wie fit ist die Patientin, wie viele Medikamente nimmt sie ein, ist sie sturzgefährdet und wie gut sind ihre kognitiven Fähigkeiten sowie ihre soziale Verankerung? Hat jemand eine beginnende Demenz, ist es wichtig, sich mit den Angehörigen und auch dem Hausarzt/der Hausärztin vor einer Therapie abzusprechen. «Wichtig ist, dass sich die Patientin in einer Notfallsituation adäquat verhalten kann und sich meldet, wenn beispielsweise Fieber auftritt. Ist jemand dazu nicht in der Lage, so kann das sehr gefährlich werden», erklärt Dr. Balmelli.
Sorgfältig abwägen und engmaschig begleiten
Bei der Entscheidung für eine Chemotherapie gilt es, das Risiko einer Verschlechterung der Krankheit auf der einen und die Effekte der Nebenwirkungen auf der anderen Seite abzuwägen. «Wir arbeiten mit verschiedenen Scores, also Messwerten, mit denen wir abschätzen können, wie gut der Allgemeinzustand und wie hoch die erwartete Toxizität einer Chemotherapie ist.» Bei Betagten sei man zurückhaltend mit sogenannten Polychemotherapien, bei denen mehrere Wirkstoffe zur Anwendung kommen. «Da bin ich bei den über 75-Jährigen vorsichtig und wäge je nach Biologie sorgfältig Nutzen/Risiko ab». Die Dosis sei hingegen bei allen die gleiche und auf die Körpergrösse und das Körpergewicht adaptiert. Auch ältere Patientinnen können diese Therapie ambulant machen. Dabei begleitet Dr. Balmelli die Patientinnen engmaschig, um zu sehen, welche Reaktionen auftauchen.
Gewisse Nebenwirkungen können für ältere Menschen limitierend wirken, wie etwa die sogenannten Neuropathien, welche ein Kribbeln oder Taubheitsgefühle in den Fingerspitzen und Zehen auslösen können. Dies kann die Gangsicherheit beeinträchtigen. «Man muss die Nebenwirkungen gut überwachen und die Dosis rechtzeitig anpassen».
Am Bethesda Spital können Brustkrebspatientinnen zusätzlich die Dienste der Breast Care Nurse und der Psychoonkologie in Anspruch nehmen. Diese Unterstützung kann besonders für alleinstehende Seniorinnen hilfreich sein, so dass auch sie gut durch die Chemotherapie kommen «Es ist machbar und es schützt auch eine alte Frau vor einem Rückfall oder Wiederauftreten des Krebses», bringt es Dr. Balmelli auf den Punkt.